„… und du sollst ihn lieben wie dich selbst!“

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Sie sitzt bei uns öfters am Mittagstisch und genießt die Gemeinschaft. Sie ist von Herzen dankbar für Alles, was man ihr vorsetzt. Sie näht unsere Gardinen und hat unter anderem meine Winterjacke repariert. Besonders meiner Frau ist ihr Lebensweg schon über mehrere Jahrzehnte bekannt.

Unser Gast ist 63 Jahre alt und stammt ursprünglich aus Mariupol in der Ukraine. Ich staune immer wieder über ihre Fröhlichkeit und ihre Sorglosigkeit. Bei all dem, was sie erlebt hat, ein Wunder.

Als Kind wird sie von der Oma in einer Psychiatrie untergebracht. Später wird sie drogenabhängig und obdachlos. Ihre Kinder wurden ihr weggenommen, da sie nicht in der Lage war für sie zu sorgen. Ein Sohn ist behindert und verbringt ebenfalls einige Jahre in ukrainischen Heimen.

Irgendwann bekommt sie Kontakt zu Christen, die regelmäßig in einem Krankenhaus, in dem sie gerade liegt, Gottesdienste halten. Sie wird ein Kind Gottes. Ihr Leben kommt Stück für Stück in Ordnung. Ihr Sohn darf zu ihr zurück. Sie nimmt am Gemeindeleben teil. Es wird gut!

Jahre später kommt der Krieg und sie verlässt mit Anderen die Heimat in Richtung Markneukirchen. Im Laufe der nächsten Monate tauchen viele Fragen in mir auf. Unter anderem:

  • Wo sind die Grenzen der Nächstenliebe?
  • Sollte man nicht viel mehr fordern, als allzu sehr zu fördern?
  • Geben wir zu viel?

Und dennoch: An unserem Mittagstisch sitzt ein Mensch, eine Glaubensschwester, die vor Krieg geflohen ist. Dankbar schaue ich auf den Monatsspruch und darauf, wie Gottes Wort mein Denken und Handeln ausrichtet:

„Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; …“ 3. Mose 19,33

Wir haben in der Bibel ein wunderbares Wort, das diese gesamte Thematik in einem Brennpunkt zusammenfasst: Barmherzigkeit. Ich freue mich darüber, dass diese Barmherzigkeit als eine Gabe bezeichnet wird (Röm 12,8), die man gern ausleben darf.

 

Euer Falk Schönherr

Vorsitzender des Sächsischen Gemeinschaftsverbandes

 

 

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Bildnachweis: Monika – pixabay.de